Hören im virtuellen Raum – Wie echt klingt die Virtuelle Realität?
Wie Menschen Geräusche wahrnehmen, ist inzwischen ein gut untersuchter Prozess. Ein weniger erforschter Bereich sind die Unterschiede zwischen der Geräuschwahrnehmung in realen und virtuellen Umgebungen, insbesondere wenn es um die Wahrnehmung von Entfernungen geht. Mit dem immer häufigeren Einsatz von virtueller Realität (VR) in wissenschaftlichen Versuchen, ist es umso wichtiger geworden die Besonderheiten des Hörens in virtuellen Umgebungen besser zu verstehen. Forschende des IfADo und der Ruhr-Universität Bochum haben sich im Rahmen des AUDICTIVE-Programms dieser Aufgabe nun angenommen und ihre Ergebnisse vor kurzem veröffentlicht.

Beim Hören geht es nicht nur darum den Inhalt des Gehörten zu erfassen und zu verarbeiten. Das Gehirn versucht dabei auch einzuordnen, wo der Ursprung des Geräusches liegt – aus welcher Richtung es kommt und wie weit die Quelle entfernt ist. Das passiert durch die Interpretation verschiedener Merkmale des Geräuschs. Natürlich spielt dessen Lautstärke eine Rolle, aber auch der Nachhall und Klang sowie Verzögerungen, wann es das linke und rechte Ohr erreicht, sind entscheidende Faktoren. Auch in virtuellen Umgebungen können diese Merkmale so simuliert werden, dass ein plausibler Höreindruck entsteht. Wie sehr dies jedoch der Geräuschwahrnehmung in einer vergleichbaren realen Situation ähnelt, ist bislang noch weitestgehend unerforscht.
Entfernungen von Geräuschen richtig einschätzen: Werden simulierte Töne vergleichbar wahrgenommen?
Dies untersuchten die Forschenden in einem Versuch, bei dem sie drei Lautsprecher in zwei, vier und acht Metern Entfernung von einer Versuchsperson aufstellten. Den Versuchspersonen wurden dann Geräusche vorgespielt – sowohl von den Lautsprechern als auch der Lautsprecherposition entsprechende simulierte Töne über Kopfhörer. In den meisten Fällen wurden die Töne vom vier Meter entfernten Lautsprecher wiedergegeben. Sobald sich die Position aber änderte, sollte die Versuchsperson angeben, ob der Ton von weiter vorne oder weiter hinten kam. Zusätzlich passten die Forschenden den gleichen Versuch so an, dass die Töne unabhängig von ihrer Entfernung beim Erreichen der Ohren der Versuchsperson gleich laut waren. So konnten sich die Versuchspersonen bei der Aufgabe nicht allein auf die Lautstärke des Tons verlassen.
Die Forschenden untersuchten aber nicht nur, ob die Versuchspersonen die Quelle der Töne richtig zuordnen konnten, sondern auch was dabei in ihrem Kopf passierte. Mit einem EEG können sie die elektrischen Potenziale bei der Verarbeitung im Gehirn sichtbar machen. Da diese Potenziale bei ähnlicher Wahrnehmung auch ähnlich aussehen, können sie so einen weiteren Hinweis geben, ob die Positionsänderungen der Töne in realen und virtuellen Umgebungen tatsächlich gleich oder unterschiedlich verarbeitet werden.
Gute Nachrichten für Versuche: Geräusche in VR vergleichbar, bei stimmiger Lautstärke
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Positionsänderungen von Geräuschen in der virtuellen und realen Umgebung vergleichbar wahrgenommen und ähnlich im Gehirn verarbeitet werden. Nur wenn die Lautstärke in der VR angeglichen wurde und damit keinen verlässlichen Hinweis auf die Entfernung geben konnte, hatten die Versuchspersonen Schwierigkeiten mit der korrekten Zuordnung. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkung zeigt die Studie jedoch, dass Versuche in einer VR eine gute Alternative sein können, die mehr Freiheit in den untersuchten Umgebungen bietet und gleichzeitig den Aufwand und die Kosten der Versuche reduziert.
AUDICTIVE SPP2236
Die Studie ist Teil des Schwerpunktprogramms AUDICTIVE SPP2236, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Im Rahmen des Projekts beschäftigen sich Forschende aus verschiedenen Forschungseinrichtungen und drei Disziplinen (Akustik, Kognitive Psychologie und VR/Computer Science) mit der Wahrnehmung und Verarbeitung von Geräuschen in virtuellen Umgebungen. Mehr Informationen über das Projekt und andere Publikationen gibt es auf der Website des Projekts: https://www.spp2236-audictive.de