Debatte: Wie werden wir zukünftig arbeiten?
Sollten Maschinen den Menschen bei der Arbeit ersetzen? Machen smarte Systeme das Arbeiten einfacher oder die Arbeitenden einsam? Zu einer interaktiven Debatte über Chancen und Risiken im digitalen Zeitalter hat das Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) am Donnerstag, 16. Mai, eingeladen. Rund 50 Angestellte aus unterschiedlichen Branchen, Studierende und Forschende haben diskutiert, wie sie sich die Arbeitswelt von morgen vorstellen.
Es gibt erste Roboter in der Pflege, Datenbrillen im Logistikbetrieb und Algorithmen, die riesige Datenmengen verarbeiten können. Der digitale Wandel verändert die Arbeit. Wie genau die Arbeitswelt von morgen aussehen wird, kann niemand mit Sicherheit sagen, aber es kann darüber debattiert werden. Dortmunder Forschende des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung, des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik und der Sozialforschungsstelle der TU Dortmund haben eine interaktive Debatte mit interessierten Praktikern angeregt.
Zur Debatte standen acht Thesen zur Digitalisierung der Arbeitswelt, wie technologische Arbeitslosigkeit, Big Data und Datenschutz sowie digitale Bildung. Wie im britischen Unterhaus zeigten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihren Standpunkt durch die Wahl des Sitzplatzes. Die Stühle auf der einen Seite signalisierten „Ich stimme zu“, die andere Seite zeigte an „Ich sehe das anders“. Im Mittelpunkt des innovativen Formats standen die persönlichen Einstellungen und Meinungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Nicht richtig oder falsch: Meinung ist gefragt
Sehr kontrovers fielen die Meinungen zur These aus, ob Maschinen Menschen bei allen monotonen und anstrengenden Arbeiten ersetzen sollten. Während die eine Hälfte der Teilnehmenden der These zustimmte, lehnt es die andere Hälfte ab, dass Maschinen die Arbeit von Menschen übernehmen. „Warum muss es Menschen geben, die mit 40 Jahren nicht mehr arbeiten können, weil ihr Job sie körperlich kaputt gemacht hat?“, fragte eine Teilnehmerin, die die These unterstützt. Ein Teilnehmer der Contra-Seite verwies hingegen darauf, dass die Bewertung, ob Arbeitsaufgaben monoton seien, immer subjektiv sei: „Während einige beispielsweise den Job von Kassierern für eintönig halten, ist er für viele Angestellte sehr erfüllend“.
Einig war sich die Mehrheit der Teilnehmer hingegen, dass es gut ist, wenn moderne Systeme bei der Arbeit Vitaldaten über uns sammeln, um uns so vor möglichen Belastungen zu warnen. Dennoch haben sich rund 65 Prozent der Teilnehmenden gegen die These ausgesprochen, dass auf der Arbeit Gesundheitsdaten von uns erfasst werden sollten. „Die Missbrauchsgefahr ist höher als der Nutzen“, so ein Teilnehmer. „Wir geben immer mehr Verantwortung an die Technik ab“, merkte eine weitere Teilnehmerin auf der Contra-Seite an. Eine Befürworterin der These argumentierte: „Die hohen Fehlzeiten zeigen, dass viele Personen nicht genug sensibilisiert sind für Belastungen am Arbeitsplatz. Smarte Anwendungen könnten uns also schon frühzeitig warnen, dass etwas nicht stimmt.“
Eine Frage der (Weiter-)Bildung
Die Mehrheit der Teilnehmenden sprach sich für Programmieren als Pflichtfach in der Schule aus. „Man sollte Schülerinnen und Schülern alle Felder aufzeigen und IT-Grundlagen vermitteln, um sie so an Themen heranzuführen, die vielleicht auf den ersten Blick nichts für sie gewesen wären“, so eine Teilnehmerin. „Außerdem würden so möglicherweise mehr Frauen Informatik studieren.“ Diese Ausführungen hatten einen Teilnehmer während der Debatte bewogen, von der Contra- auf die Pro-Seite zu wechseln. „Nicht jeder muss Programmierer sein, die Branche ändert sich so schnell. Besser wäre ein Fach wie theoretische Informatik, um ein Grundverständnis zu schaffen“, so ein weiterer Teilnehmer. Und welches Fach sollte wegfallen, wenn Informatik Pflichtfach wird? „Religion“, schlug eine Teilnehmerin vor.
Die abschließende Frage, ob wir auch zukünftig weiter versuchen sollten, noch schlauere KI-Systeme zu entwickeln, bejahte die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden. „Wenn wir aufhören, uns weiterzuentwickeln, dann hören wir auch auf zu denken“, sagte eine Teilnehmerin. „Wir sind die Nutznießer der Digitalisierung und nicht die Opfer. Digitalisierung erlaubt, dass wir uns als Individuen intellektuell und sozial weiterentwickeln können“, fasste IfADo-Forscher Dr. Gerhard Rinkenauer seine Vision zur Arbeitswelt der Zukunft zusammen. Ein Teilnehmer erwiderte jedoch: „Die Entwicklung geht so schnell voran. Ich wünsche mir aktuell nicht noch schlauere KI, sondern Möglichkeiten, nicht abgehängt zu werden.“
Stimmungsbild zu den Debattenthesen
Der Mensch sollte im Mittelpunkt stehen, egal wie es mit dem technischen Fortschritt weitergeht. Dieser Wunsch wurde die Debatte über immer wieder geäußert. „Die KI soll nur reden, wenn wir sie fragen. Herrschen sollen wir“, so ein Teilnehmer zur These, ob künstliche Intelligenz uns auf der Arbeit sagen sollte, was wir tun sollen. „Entscheidungen von KI-Systemen kann keiner verstehen. Das dürfen wir aber nicht zulassen. Die Systeme sollen sich uns anpassen und nicht zur Komplexität beitragen, sondern sie reduzieren“, so ein weiterer Teilnehmer.
Die Unterhausdebatte fand am Donnerstag, 16. Mai, im „Innovationslabor Hybride Dienstleistung in der Logistik“ am Fraunhofer IML statt. Veranstaltet wurde die Debatte vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo, Referent Dr. Gerhard Rinkenauer), dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML (Referent Dipl.-Inf. Benedikt Mättig), der Sozialforschungsstelle der TU Dortmund (Referent Dr. Ralf Kopp) im Kontext des „Leistungszentrum Logistik & IT“ und des „Innovationslabors Hybride Dienstleistungen in der Logistik“. Moderiert wurde die Debatte vom Wissenschaftsjournalisten Maximilian Doeckel.