14.09.2021
Studien deuten darauf hin, dass Harnblasentumore bei Querschnittsgelähmten häufiger einen ungünstigeren Verlauf haben als ohne Querschnittslähmung. Noch sind aber viele Fragen offen, etwa zu den Ursachen. Ein nationales Forschungsteam unter Beteiligung des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) hat deshalb langjährig Daten von Patient:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit Querschnittslähmung analysiert, die ohne Dauerkatheter versorgt wurden. Das Team kommt zu dem Ergebnis, dass Harnblasenkrebs ein spätes Ereignis im Langzeitverlauf der Querschnittslähmung ist. Die Nachsorge-Maßnahmen müssen daher mit zunehmender Dauer der Querschnittslähmung intensiviert werden.

Das BG Klinikum Hamburg, die Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegiologie e.V. (DMGP) und das IfADo haben zwischen 2012 und 2019 Daten von 135 Patient:innen mit Querschnittslähmung und der Diagnose Harnblasenkrebs gesammelt und ausgewertet. Die Daten dieser Studie bestätigen zum einen die Ergebnisse der vorangegangenen Hamburger Studie über ebenfalls ohne Dauerkatheter versorgte querschnittsgelähmte Patient*innen: Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Diagnose Harnblasenkrebs war im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung etwa 20 Jahre jünger.
Nachsorge wichtig
Zum anderen sieht das Forschungsteam Harnblasenkrebs als ein spätes Ereignis im Langzeitverlauf der Querschnittslähmung. Die Zeitspanne bis zum Auftreten eines Harnblasentumors war bei den ganz ohne Katheter versorgten Patient:innen länger als bei den mit Einmalkathetern versorgten Patient:innen. Die Nachsorge muss daher mit zunehmender Dauer der Langzeitquerschnittslähmung intensiviert werden.
Nach einer aktuellen Schätzung leben weltweit 25-30 Millionen Menschen mit einer Querschnittslähmung. Dank des medizinischen Fortschritts hat sich die Lebenserwartung dieser Menschen drastisch verbessert. Krebs ist derzeit die dritthäufigste Todesursache bei querschnittsgelähmten Menschen und Harnblasenkrebs ist der zweithäufigste Tumor nach Lungenkrebs. Vor diesem Hintergrund hat die Frage nach einem möglichen Zusammenhang zwischen einer Querschnittslähmung und dem Auftreten von Harnblasenkrebs in den letzten Jahren an Interesse gewonnen.
Originalpublikation:
Böthig, R., Kowald, B., Fiebag, K. et al. Bladder management, severity of injury and period of latency: a descriptive study on 135 patients with spinal cord injury and bladder cancer. Spinal Cord 59, 971-977 (2021). https://doi.org/10.1038/s41393-021-00651-3
Dr. Ralf Böthig
Leiter der Abt. Neuro-Urologie
BG Klinikum Hamburg
Telefon: +49 40 7306-2608
E-Mail: R.Boethig@bgk-hamburg.de
Prof. Dr. Klaus Golka
Leiter der Arbeitsgruppe Klinische Arbeitsmedizin
Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo)
Telefon: +49 231 1084-344
E-Mail: golka@ifado.de
Pressekontakt:
Anne Rommel
Pressereferentin IfADo
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