Normung

Einen langjährigen Arbeitsschwerpunkt stellt die Erarbeitung bzw. inzwischen die Weiterentwicklung nationaler und internationaler Normenwerke zu ergonomischen Fragestellungen im Themenkreis von Körperhaltung und manueller Lastenhandhabung dar. Im Auftrag der Bundesregierung vertritt der DIN-Ausschuss „Anthropometrie und Biomechanik” innerhalb des Normenausschusses „Ergonomie” die nationalen Normungsinteressen zur räumlichen Gestaltung des Arbeitsplatzes und zur körperlichen Leistung und Leistungsfähigkeit des Menschen in der Europäischen und Internationalen Normung CEN bzw. ISO. Durch die langjährige federführende Mitarbeit in diesem Gremium werden insbesondere auch die deutschen Interessen beim CEN-Komitee „Biomechanik” und ISO-Komitee „Manuelle Lastenhandhabung” vertreten.

Mit dem Ziel einer biomechanisch-physiologisch begründeten Gestaltung von Arbeitsplatz und Arbeitsablauf werden dort einerseits Grundlagen und Empfehlungen zu Körperhaltungen sowie zur Handhabung von Lasten erarbeitet, unter anderem auch vor dem Hintergrund zunehmender Intensität durch Arbeitsverdichtung und monotone bzw. repetitive Arbeitsanteile. Andererseits zeigt die hohe Inzidenz von Beschwerden und Erkrankungen bei Beschäftigten in der Kranken- und Altenpflege den hohen Bedarf nach Präventionsmöglichkeiten auf – insbesondere vor dem Hintergrund des demographischen Wandels mit einer alternden Bevölkerung und einer einhergehenden Zunahme von erkrankten Personen. Dadurch stehen auch die Arbeiten und Ergebnisse des IfADo zur körperlichen Belastung beim manuellen Patientenhandling mit dem Ziel des Erhalts der Arbeitsfähigkeit der Pflegepersonen im Alter ebenso im aktuellen internationalen Normungsfokus wie auch die biomechanischen Ergebnisse zum Ziehen und Schieben von Lasten.

Folgende Normen (bzw. als Norm„teile” bezeichnete eigenständige Normen) sowie normative Technische Berichte wurden in den vergangenen Jahren (mit-)entwickelt:

  • CEN 1005: Sicherheit von Maschinen – Menschliche körperliche Leistung
    • Teil 1: Begriffe
    • Teil 2: Manuelle Handhabung von Gegenständen
    • Teil 3: Empfohlene Kraftgrenzen
    • Teil 4: Körperhaltungen und Bewegungen
    • Teil 5: Kurzzyklische Tätigkeiten mit hohen Handhabungsfrequenzen
  • ISO 11226: Ergonomie – Körperhaltungen
  • ISO 11228: Ergonomie – Manuelle Handhabung
    • Teil 1: Heben und Tragen
    • Teil 2: Schieben und Ziehen
    • Teil 3: Häufiges Handhaben eher leichter Lasten
  • ISO/TR 12295: Anwendung vorgenannter ISO-Ergonomie-Normen
  • ISO/TR 12296: Manuelles Bewegen von Personen in der Pflege bzw. CEN ISO TR 12296 und DIN SPEC 3320

CEN 1005: Sicherheit von Maschinen – Menschliche körperliche Leistung

Diese Norm bzw. Normenreihe enthält Empfehlungen zur Gestaltung von Maschinen und Maschinenteilen: Der Konstrukteur der Maschine muss sicherstellen, dass bei der Anwendung der Maschine keine Gefährdung für den Bediener besteht und muss Anweisungen für Bau, Betrieb, usw. zur Verfügung stellen. Die beste Möglichkeit, Gesundheitsschutz, Sicherheit und Produktivität zu optimieren, besteht in einem ganzheitlichen ergonomischen Gestaltungsansatz für das Arbeitssystem. Somit dient diese Norm(enreihe) vorrangig der Herstellung und im Nachfolgenden dem Ver- und Betrieb von Ergonomie-gerechten Maschinen und Maschinenteilen sowie allenfalls nachrangig, wenn ansonsten keine angemessenen Informationen verfügbar sind, der Beurteilung vorhandener oder geplanter Arbeitsplätze (s. dazu vorrangig ISO-Normen). Aufgrund des Anwendungsbereiches – Maschinen von der Planung bis zur Außerbetriebnahme – werden vergleichsweise konservative Abschätzungen vorgenommen.

CEN 1005-1: Begriffe – Diese 1005er CEN-Norm besteht aus 5 Teilen, welche die körperliche Leistungsfähigkeit des Menschen im Hinblick auf die Konstruktion von Maschinen erfassen soll. Teil 1 enthält Definitionen für Begriffe und Parameter, die in den weiteren 4 Teilen angewendet werden.

CEN 1005-2: Manuelle Handhabung von Gegenständen – In Teil 2 der Norm werden ergonomische Gestaltungsempfehlungen für Maschinen des beruflichen und häuslichen Gebrauchs festgelegt, die eine manuelle Handhabung an Maschinen oder von Maschinenteilen erfordern. Dieser Normteil gilt für die manuelle Handhabung von Maschinenteilen und Gegenständen, die von der Maschine bearbeitet werden, mit einer Masse von 3 kg und darüber; das Tragen soll auf eine Distanz von weniger als 2 m beschränkt werden. Die Norm liefert Daten für die ergonomische Gestaltung und die Risikobeurteilung bezüglich des Hebens und Senkens von Lasten bei Aufbau, Transport usw. von Maschinen. Dieser Teil der Norm gilt nicht für das Halten von Gegenständen (ohne Gehen), das Schieben oder Ziehen von Gegenständen, handgeführte Maschinen oder die manuelle Lastenhandhabung in sitzender Körperstellung.

CEN 1005-3: Empfohlene KraftgrenzenDieser 3. Teil der Norm legt empfohlene Kraftgrenzen im Umgang mit Maschinen fest. Dazu gehören deren Gestaltung bei Transport, Inbetriebnahme usw. Die Grundlagen der Risikobewertung sind Maximalkräfte der jeweils vorgesehenen Benutzerpopulation: Zunächst werden isometrische Maximalkräfte für relevante Arbeiten selektiert – dazu soll das 15. Perzentil der gesamten erwachsenen Bevölkerung gewählt werden –, dann werden die Maximalkräfte entsprechend der betrachteten Arbeitssituation der Maschinennutzung reduziert; es wird davon ausgegangen, dass die daraus resultierenden Kräfte ohne größere Ermüdung erbracht werden können.

CEN 1005-4: Körperhaltungen und -bewegungen – Teil 4 der Norm enthält schon für die Konstruktionsphase von Maschinen und Maschinenteilen Leitsätze für die Beurteilung und Beeinflussung von maschinenbedingten Körperhaltungen und -bewegungen, die während des Betriebs, der Einrichtung, Wartung usw. zu erwarten sind. Es werden die Anforderungen für Körperhaltungen und -bewegungen ohne oder nur bei minimaler Kraftausübung bis etwa 30 N beschrieben. Die Anforderungen an die Gestaltung zielen darauf ab, die Gesundheitsrisiken für nahezu alle gesunden Erwachsenen zu reduzieren.

CEN 1005-5: Kurzzyklische Tätigkeiten mit hohen Handhabungsfrequenzen In Teil 5 wird die Risikobeurteilung bzgl. eventueller muskuloskelettaler Erkrankungen der oberen Gliedmaßen beschrieben, die aus dem Ausüben kurzzyklischer Tätigkeiten entstehen. Sind kurzzyklische Handhabungen nicht zu vermeiden, sollten die Risikobeurteilung durchgeführt und Maßnahmen zur Risikoverminderung gewählt werden. Als spezifisches Grundelement wird dabei diejenige Teiltätigkeit als Ausgangspunkt der Bewertung ausgewählt, die für die zu betrachtenden kurzzyklischen Bewegungen der oberen Gliedmaßen maßgebend ist. Sie wird entsprechend ihrer relativen Häufigkeit während einer bestimmten Zeitdauer gewichtet. Die als letztendliches Ergebnis empfohlene Häufigkeit einer Teiltätigkeit der oberen Gliedmaßen hängt von weiteren Risikofaktoren wie Kraft, Körperhaltung und Erholzeiten ab.

 

ISO 11226: Ergonomie – Körperhaltungen

Diese internationale Norm enthält ergonomische Empfehlungen für unterschiedlichste Tätigkeiten, die von „statischen” Arbeitshaltungen ohne oder mit allenfalls minimaler externer Kraftausübung geprägt sind. Bei der Analyse werden im Wesentlichen Körpersegmentwinkel und Zeitaspekte berücksichtigt. Sie soll eine Hilfestellung bei der Risikobeurteilung verschiedener Tätigkeitsbedingungen darstellen und die Bewertung der Gesundheitsrisiken für die Arbeitsbevölkerung erlauben. Als grundsätzliche Empfehlung wird herausgestellt, dass die Arbeitsaufgaben und -ausführungen eine ausreichende Variation von physischen und mentalen Belastungen aufweisen sollten. Dies bedeute, dass die Arbeit eine angemessene Mischung von kurzen, mittleren und langen Arbeitszyklen mit eher leichten und eher schweren Aufgaben enthalten sollte sowie genügend Selbstständigkeit, soziale Kontakte, Informationen und Lernen ermöglichen sollten. Darüber hinaus sollten die individuelle Vielfalt der infrage kommenden Mitarbeiter einbezogen werden, insbesondere bezüglich der Anthropometrie.

 

ISO 11228: Ergonomie – Manuelle Handhabung

Die Norm bzw. Normenreihe ISO 11228 setzt sich aus 3 Teilen zusammen; diese ermöglichen die Ableitung ergonomischer Empfehlungen zur Gestaltung verschiedener manueller Lastenhandhabungen im Rahmen von berufsbezogenen und nichtberuflichen Tätigkeiten.

ISO 11228-1: Heben und Tragen – Dieser Teil spezifiziert empfohlene Lastgrenzen für das Heben und Tragen unter spezieller Berücksichtigung der Intensität, der Frequenz und der Dauer der Tätigkeit. Die Norm bietet eine Anleitung bei der Bewertung verschiedener Tätigkeitsvariablen und ermöglicht die Abschätzung des Gesundheitsrisikos für die Arbeitspopulation. Er bezieht sich auf Objekte mit einer Masse von 3 kg oder mehr, setzt eine allenfalls mäßige Gehgeschwindigkeit auf ebener Oberfläche voraus und basiert auf einer 8-Stunden-Schicht; die Analyse von kombinierten Tätigkeiten während eines Tages ist mit dieser Norm nicht möglich.

ISO 11228-2: Schieben und Ziehen – Teil 2 der Norm ermöglicht die Ableitung von empfohlenen Lastgrenzen für das Schieben und Ziehen von Gegenständen, wenn zur Ausführung „der gesamte Körper” eingesetzt wird. Er unterstützt die Analyse verschiedener Tätigkeitsbedingungen als Risikofaktoren und die Bewertung von sowohl muskulären als auch (lumbal-)skelettalen Gesundheitsrisiken für die arbeitende Bevölkerung – letztere auf Basis von biomechanischen Erhebungen zur Belastung und Belastbarkeit der Lendenwirbelsäule aus der Dortmunder Lumbalbelastungsstudie 2 (DOLLY 2) des IfADo. Die Empfehlungen beziehen sich auf die gesunde, erwachsene Bevölkerung und zielen auf einen angemessenen Gesundheitsschutz für die Mitarbeiter.

ISO 11228-3: Häufiges Handhaben eher leichter Lasten – Der dritte Teil der Norm stellt ergonomische Empfehlungen für repetitive Tätigkeiten zur Verfügung, die das manuelle Handhaben von vergleichsweise geringen Lasten bei hoher Handhabungsfrequenz beinhalten. Er gibt eine Anleitung zur Identifikation und Bewertung von Risikofaktoren, die gemeinhin bei hoch-repetitiven Tätigkeiten vorliegen, und erlaubt die Bewertung des Gesundheitsrisikos für die erwachsene Bevölkerung.

 

ISO/TR 12295: Anwendung obiger ISO-Ergonomie-Normen

Dieser „Technische Bericht” ist ein Anwendungsratgeber zu den internationalen Normen zu den verschiedenen Formen der manuellen Lastenhandhabung (ISO 11228-1, ISO 11228-2 und ISO 11228-3) und zu Körperhaltungen bei der Arbeit (ISO 11226). Insbesondere liefert er dem Benutzer auf der Basis von „Schlüsselfragen” Vorabinformationen dahingehend, ob die Nutzung einer Norm erforderlich ist, sowie eine Anleitung zur Auswahl der jeweils relevanten Norm; darüber hinaus stellt er zusätzliche Informationen für die Verwendung der betreffenden Normen je nach Vorhandensein spezifischer Risiken zur Verfügung.

Dieser TR verfügt über zwei Bereiche:

  1. a) Allen potentiellen Nutzern – insbesondere auch Nicht-Experten in ergonomischen Fragestellungen – sollen Prinzipien, Kriterien und Verfahren besonders anschaulich erläutert werden.
  2. b) Allen potentiellen Nutzern – insbesondere auch Experten in ergonomischen Fragestellungen und Erfahrene im Umgang mit den ISO-Normen der Reihe 11228 und 11226 – sollen Details, Methoden und Kriterien für die Anwendung der Risikobewertung in den zugrundeliegenden Standards dargelegt und nähergebracht werden.

 

ISO/TR 12296: Manuelles Bewegen von Personen im Pflegebereich

Dieser Technische Bericht der ISO – auch übernommen ins europäische Regelwerk als CEN ISO/TR 12296 sowie als Spezifikation in den DIN-Bereich DIN SPEC 3320 –bezieht sich im Wesentlichen auf das manuelle Bewegen von Personen, die einzubeziehenden Arbeitsbedingungen beim Patiententransfer und die Darstellung der Notwendigkeit eines ganzheitlichen umfassenden Ansatzes zu Risikobewertung, -beurteilung und -management. Er beinhaltet sowohl Methoden und Richtlinien zur Risikobewertung wie den „Dortmunder Ansatz” aufgrund der basisgebenden Erhebungen innerhalb der Dortmunder Lumbalbelastungsstudie 3 (DOLLY 3) des IfADo als auch Kriterien für die Auswahl und Anwendung von Hilfsmitteln. Die Ziele bestehen in der Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte durch Reduzierung des biomechanischen Überlastungsrisikos und der Berücksichtigung der Qualität der Pflege, der Sicherheit, Würde und Privatsphäre der Patienten im Hinblick auf deren Bedürfnisse. Die Empfehlungen für das Bewegen von Patienten berücksichtigen die Arbeitsorganisation, typische Verhaltensweisen von Pflegepersonen und Patienten, die Anzahl der zu bewegenden Patienten, die Hilfsmittel, die räumlichen Gegebenheiten, die Ausbildung der Pflegekräfte und beispielsweise auch ungünstige Körperpositionen, -haltungen, -bewegungen und Kraftausübungen.