19.09.2022
Viele wissen, dass schwere Gegenstände wie Getränkekisten körpernah „aus den Beinen” gehoben werden sollen und nach Möglichkeit nicht „aus dem Rücken”. Gerade bei Berufen, die viel mit wiederholtem Heben und Tragen zu tun haben, ist die korrekte Haltung besonders wichtig, um das Risiko für Muskel-Skelett-Erkrankungen zu verringern. In diesem Zusammenhang haben Matthias Jäger vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) und sieben internationale Kolleg:innen eine internationale Norm überarbeitet und die damit ableitbaren Lastgrenzen hinsichtlich des Erkrankungsrisikos interpretiert. Für die Aktualisierung dieser Norm erhalten sie den NIOSH Bullard-Sherwood Research-to-Practice Award.

Vor etwa 40 Jahren veröffentlichte das National Institute for Occupational Safety and Health (NIOSH) der USA einen innovativen umfassenden Leitfaden für Sicherheitsfachleute und Arbeitnehmende. Damit sollte das Risiko von Muskel-Skelett-Erkrankungen, insbesondere im unteren Rückenbereich (low-back disorders), durch häufiges Heben von Lasten verringert werden. Nach einer Überarbeitung und Erweiterung übernahm vor etwa 20 Jahren die Internationale Organisation für Normung (ISO) die im Leitfaden enthaltene und dann modifizierte NIOSH-Hebeformel (Revised NIOSH Lifting Equation) in ihr Regelwerk, mit den Empfehlungen zu maximalen Lastgewichten für repetitives Heben unter standardisierten Bedingungen für einen Arbeitstag. Aufgrund der Einfachheit ergab sich einerseits eine weitverbreitete Nutzung dieses Verfahrens, die das Bewusstsein um potentielle Risiken in den Fokus von Arbeitsmedizin und Ergonomie auch in Deutschland rückte. Andererseits entstanden zahlreiche Diskussionen sowohl aufgrund des eingeschränkten Anwendungsspektrums – im Berufsalltag werden Gegenstände nicht nur gehoben – als auch aufgrund der begrenzten wissenschaftlichen Grundlagen, die in den letzten Jahrzehnten durch zahlreiche Studien insbesondere durch die aktuell ausgezeichneten Wissenschaftler erheblich erweitert wurden. Diese langjährigen Forschungen beispielsweise zu langfristigen Dosis-Wirkung-Beziehungen im Rahmen der Deutschen Wirbelsäulenstudien, an denen das IfADo durch die Forschungsgruppe um M. Jäger maßgeblich beteiligt war, bieten nun eine Orientierungshilfe, die durch Norm-Anwendung ableitbaren Lastgewichtsgrenzen in Hinsicht auf das Risiko zur Entwicklung von Low-Back-Disorders durch manuelles Heben und Tragen zu interpretieren.
Zu NIOSH, Bullard und Sherwood
Das Nationale Institut für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin NIOSH in Cincinnati (OH, USA) verleiht die Preise „von der Forschung in die Praxis”, um herausragende Anstrengungen seiner Wissenschaftler:innen und deren Partner:innen zu würdigen. In ihrer Forschung geht es um Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit mit dem Ziel der Vermeidung von arbeitsbedingten Verletzungen, Erkrankungen und auch Todesfällen. Der Name des Preises wurde zu Ehren von zwei herausragenden Persönlichkeiten gewählt, die die Prävention am Arbeitsplatz erheblich gefördert haben: Edward W. Bullard entwarf verschiedene Schutzhelme, insbesondere diejenigen für die Bauarbeiter der Golden-Gate-Brücke, während R. Jeremy Sherwood im Bereich der Arbeitshygiene Entnahmepumpen für Atemluftproben sowie Atemschutzmasken erfand und (weiter-)entwickelte.
PD Dr. Matthias Jäger
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