Matthias Jäger – Neues Ehrenmitglied der GfA 2025
Die Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V. (GfA) würdigt „Persönlichkeiten des In- und Auslandes die sich in hervorragendem Maße um die Arbeitswissenschaft oder um die Gesellschaft für Arbeitswissenschaft verdient gemacht haben”, mit einer Ehrenmitgliedschaft; seit Gründung im Jahr 1953 wurden bisher 20 Persönlichkeiten derart ausgezeichnet. Im Rahmen des diesjährigen Frühjahrskongresses in Aachen (25. – 27.03.2025) wurden aktuell drei weitere Personen für Ihre langjährigen Verdienste für die GfA geehrt: Priv.-Doz. Dr.-Ing. Matthias Jäger (IfADo), Prof. Dr.-Ing. Karsten Kluth (Universität Siegen) und Prof. Dr. phil. Oliver Sträter (Universität Kassel).

Das Leibniz -Institut für Arbeitsforschung Dortmund (IfADo) war von 1985 bis 2021 Sitz der Geschäftsstelle der GfA und führte in Folge die Geschäftsführung aus (Geschäftsführende GfA-Vorstandsmitglieder: Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Laurig, Prof. Dr. Andreas Seeber, Prof. Dr. Martin Schütte, Priv.-Doz. Dr.-Ing. Matthias Jäger).
Zu Matthias Jäger: Nach seinem Studium der Elektrotechnik an der Ruhr-Universität Bochum hat Matthias Jäger 1986 im Fachbereich Maschinenbau in Dortmund promoviert. 2001 folgte seine Habilitation mit Lehrbefugnis für das Fachgebiet Ergonomie an der Dortmunder Fakultät für Maschinenbau. Seit 1981 arbeitete Herr Jäger am IfADo und befasste sich als Leiter der Forschungsgruppe „Biomechanische Ergonomie“ bis zu seinem Ruhestand-bedingten Ausscheiden im Jahr 2021 mit arbeitswissenschaftlichen Themen wie der Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitsabläufen sowie insbesondere der Belastung des Muskel-Skelett-Systems bei beruflicher Arbeit. Seit vielen Jahren ist er neben seinen Aktivitäten in nationalen und internationalen Normungsgremien zudem auch Herausgeber von zwei wissenschaftlichen Zeitschriften sowie Mitverfasser mehrerer arbeitswissenschaftlicher und arbeitsmedizinischer Leitlinien, unter anderem für die WHO.
Meilensteine biomechanischer Forschung: Matthias Jäger entwickelte das Simulationswerkzeug „Der Dortmunder“ zur Quantifizierung der Wirbelsäulenbelastung, formulierte die „Dortmunder Richtwerte” zur Bewertung des Überlastunsrisikos für den Rücken, initiierte die „Dortmunder Lumbalbelastungsstudien, DOLLY“ und war maßgeblich an den „Deutschen Wirbelsäulenstudien“ zur Bestimmung, Bewertung und Beurteilung langjähriger körperlicher Rückenbelastungen beteiligt. Dabei stellt das Mainz-Dortmunder Dosismodell in Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren zu bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule das Standardverfahren zur Berechnung kumulativer Belastungen der Lendenwirbelsäule dar. Im Rahmen dieser Studien mit Kooperationspartnern aus Forschung und Praxis ging es unter anderem um die präventionsrelevante Frage, wie Pflegekräfte im Arbeitsalltag ihren Rücken belasten und durch geeignete Maßnahmen entlasten können. Dazu wurde beispielsweise ein mit zahlreichen Sensoren ausgestattetes Bett, das „Dortmunder Messbett”, entwickelt, mit dem die zuvor unbekannten Kräfte beim Bewegen der/s Patienten/in und nachfolgend an der Lendenwirbelsäule einer Pflegekraft dreidimensional im Zeitverlauf bestimmt werden konnten.
Des Weiteren hatten sich 2020 im Projekt MEGAPHYS mit dem IfADo sechs Forschungspartner zusammengeschlossen, um ein Methodeninventar zur „Mehrstufigen Gefährdungsanalyse von physischen Belastungen” für verschiedene berufliche Tätigkeiten zu entwickeln und als Ergebnis eine Handreichung für Verantwortliche im Bereich Arbeitssicherheit erstellt. Darüber hinaus flossen die rückenbezogenen Dortmunder Forschungen in mehrere Basisnormen der Internationalen Organisation für Standardisierung (ISO) sowie des Europäischen Komitees für Normung (CEN) ein. Als Zusammenfassung und Erweiterung der bisherigen Forschung sowie als vielseitiger Hinweisgeber wurde der „Dortmunder Lumbalbelastungsatlas“ (”The Dortmund Lumbar Load Atlas“; Springer Verlag) im Jahr 2023 veröffentlicht. Der Atlas ist das erste internationale Register der biomechanischen Belastung und Belastbarkeit des unteren Rückens bei manueller Lastenhandhabung und dient der ergonomischen Gestaltung von Arbeitsplätzen und -abläufen sowohl in der Planungsphase als auch in der retrospektiven Bewertung realer Arbeit.
Weitere Ehrungen für Jäger: Für seine unterschiedlichen Forschungsaktivitäten wurde Herr Jäger bereits mehrfach national und international ausgezeichnet. So erhielt er unter anderem den Lederle-Preis des Vereins zur Förderung der biomedizinischen und klinischen Forschung Dortmund und den Recognition Award der amerikanischen Automotive Engineer Society (SAE, Washington) für die Modellierung und Bewertung von Rückenbelastungen, den Liberty Mutual Award (Boston) für das Lumbalbelastungsmonitoring und den Julius-Springer-Preis der Arbeitsmedizin (Heidelberg) für die basisgebenden Ergebnisse zur biomechanischen Belastung von Pflegepersonal. Zudem wurde Matthias Jäger 2020 für seine herausragenden Forschungsleistungen auf dem Gebiet der biomechanischen Ergonomie von der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) mit der Joseph-Rutenfranz-Medaille für besondere Leistungen in der Arbeitsphysiologie geehrt. Für die umfassende Aktualisierung einer ISO-Norm, mit der empfohlene Lastgewichtsgrenzen beim Heben und Tragen von Lasten hinsichtlich des Erkrankungsrisikos nun inhaltsgestützter interpretiert werden, erhielt er zusammen mit internationalen Kolleg:innen 2022 den NIOSH Bullard-Sherwood Research-to-Practice Award (National Institute for Occupational Safety and Health; USA).
Wie in der aktuellen Laudatio hervorgehoben, zeichne Matthias Jäger vor allem seine außergewöhnliche Leidenschaft für die Wissenschaft und sein unermüdliches Streben nach praxisnahen Lösungen für die Arbeitswelt aus. Seine Arbeit habe nicht nur Theorien (weiter-)entwickelt, sondern konkrete Verbesserungen für die Gesundheit und Sicherheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern weltweit bewirkt. Damit sei sie ein leuchtendes Beispiel für exzellente Forschung mit gesellschaftlicher Relevanz – ganz im Sinne von ”theoria cum praxi”, dem Wahlspruch des Namensgebers unseres Instituts im Verbund der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz.
Wissenschaftlicher Kontakt:
Priv.-Doz. i.R. Matthias Jäger (ehemals Fachbereich Ergonomie)