Leitung Forschungsgruppe
Altern geht mit Veränderungen in zahlreichen sensorischen, motorischen und kognitiven Funktionen einher, die Auswirkungen auf das tägliche Leben und die Arbeit eines Menschen haben. Wie ein Mensch altert, wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Diese Faktoren umfassen Lebensstil, Arbeitsbedingungen und Stress, aber auch Krankheiten, Infektionen und Gene. Ein Ziel der Alternsforschung ist es, die Wechselwirkungen dieser Faktoren und deren Veränderungen über die (Lebens-)Zeit aufzuklären.
Altern bedeutet jedoch nicht nur den Verlust von Funktionen. Kompensation, Erfahrungen, lebenslanges Lernen und Training können einem Abbau von Funktionen effizient entgegenwirken. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und seiner Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ist der Erhalt von geistigen Fähigkeiten, Arbeitsfähigkeit und Wohlbefinden eine wichtige Zukunftsaufgabe.
Die Vernetzungsgruppe Altern erforscht die Determinanten und Mechanismen gesunden Alterns mit einem Schwerpunkt auf kognitiven Funktionen und den Arbeitskontext. Im Mittelpunkt steht hier die Dortmunder Vital-Studie, ein Forschungsprojekt des IfADo, das das Zusammenwirken unterschiedlichster Einflussfaktoren über die Lebens(arbeits)spanne in einem längsschnittlichen Ansatz untersucht. Die Forschung am Menschen wird durch tierexperimentelle Studien ergänzt, etwa zu den langfristigen Auswirkungen gesunder Ernährung.
Ein weiteres Ziel ist es, mehr über die Auswirkungen und Kompensation altersbegleitender Veränderungen in kognitiven Funktionen zu erfahren. Durch die Einbeziehung alltagsnaher Aufgaben und Tätigkeiten wird eine Brücke von der Grundlagenforschung hin zum Leben und Arbeiten älterer Menschen geschlagen. Zudem wird erforscht, wie gesundes Altern im Arbeitskontext aktiv durch Training gefördert werden kann und welche Rolle technische Lösungen dabei spielen können.
Die Vernetzungsgruppe Altern kooperiert eng mit den anderen Fachbereichen des IfADo im Bereich der Alternsforschung, ist aktiv in Leibniz-Forschungsverbünden wie dem Forschungsverbund Resilientes Altern und unterstützt die European Cognitive Aging Society (EUCAS).
Die Dortmunder Vital-Studie untersucht das Zusammenspiel von exogenen und endogenen Faktoren auf das kognitive Altern über die gesamte Lebensarbeitsspanne mit einem besonderen Fokus auf die Arbeit des Menschen. Die erhobenen Daten umfassen neuropsychologische, psychophysikalische, neurophysiologische, immunologische, genetische, medizinische sowie biochemische Parameter, und spiegeln so die Vielfalt der am Alterungsprozess beteiligten Prozesse wider.
Die Dortmunder Vital-Studie startete 2016 und ist ein Kooperationsprojekt aller Fachdisziplinen des IfADo. Nach der erfolgreichen Erstuntersuchung von mehr als 600 Menschen im Alter von 20 bis 70 Jahren begann 2021 die erste Nachuntersuchung. Dabei kommen zusätzliche Erhebungsinstrumente zum Einsatz, etwa um die langfristigen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die Arbeit, das tägliche Leben und die psychische Gesundheit zu bestimmen. Publikationen zu verschiedenen Aspekten des kognitiven Alterns sowie eine zunehmende Zahl von Kooperationen mit externen Wissenschaftler:innen etwa zu den Themen Demenz, Stress, und Arbeitsfähigkeit zeigt die Bedeutung der gewonnenen Daten auch für zukünftige Fragestellungen.
Aktuelle Publikationen:
- Gajewski, P.D., Bröde, P., Claus, M., Hengstler, J.G., Wascher, E., Watzl, C. Getzmann, S. (2025). The association between hair cortisol and burnout is moderated by age, psychosocial, and immunological markers. Brain, Behavior, & Immunity - Health 43, 100909.
- Getzmann, S., Arnau, S., Gajewski, P.D., Wascher, E. (2024). Auditory distraction, time perception, and the role of age: ERP evidence from a large cohort study. Neurobiol Aging 144, 114-126.
- Larra, M.F., Gajewski, P.D., Getzmann, S., Wascher, E., Metzler, Y. (2024). Stress from early life to adulthood: Is there a protective role of cognitive control? Brain Cogn 178, 106165.
- Kleinert, T., Nash, K., Koenig, T. Wascher, E. (2024). Normative Intercorrelations Between EEG Microstate Characteristics. Brain Topogr 37, 265-269.
- Kleinert, T., Koenig, T., Nash, K. Wascher, E. (2024). On the Reliability of the EEG Microstate Approach. Brain Topogr 37, 271-286.
- Mundorf, A., Getzmann, S., Gajewski, P.D., Larra, M., Wascher, E., Genç, E. Ocklenburg, S. (2024). Phenotyping in clinical laterality research: a comparison of commonly used methods to determine mixed-handedness and ambidexterity. Laterality 29, 331-349.
- Bröde, P., Claus, M., Gajewski, P.D., Getzmann, S., Wascher, E., Watzl, C. (2023). From immunosenescence to aging types – establishing reference intervals for immune age biomarkers by centile estimation. Int J Mol Sci 24, 13186.
Neben den Grundlagen des gesunden kognitiven Alterns betrachten wir dessen praktische Auswirkungen auf das Leben älterer Menschen. In (zumeist) drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten konzentrieren wir uns auf Aufgaben und Tätigkeiten, die besonders sensibel auf kognitives Altern reagieren und eine hohe Alltagsrelevanz haben. Durch Einsatz neurophysiologischer Methoden wie dem mobilen EEG können Einflüsse des Alters und der Kognition auf und in Alltags- und Arbeitstätigkeiten untersucht werden, wobei der Schwerpunkt auf deren funktionaler Rolle für die Arbeitsfähigkeit und das Wohlbefinden des Menschen liegt.
Dies gilt zum Beispiel für das Sprachverstehen unter komplexen Hörbedingungen. Hier erforschen wir die neurokognitiven Mechanismen für altersbedingte Veränderungen der auditiven Aufmerksamkeit. Die Bedeutung audio-visueller Sprache stand im Mittelpunkt des DFG-Projekts AuViSpeech. Ein weiteres Beispiel sind Alterseffekte auf die Ablenkung beim Autofahren im DFG-Projekt DisDrive. Die längsschnittliche Entwicklung von verkehrssicherheitsrelevanten Parametern stand im Mittelpunkt der BASt-geförderten Studie DoBoLSiS, bei der rund 400 ältere Autofahrer:innen über einen Zeitraum von 5 Jahren untersucht wurden. Andere Beispiele sind die Bewältigung von Arbeitsunterbrechungen im DFG-Projekt Unterbrechung sowie Alterseinflüsse auf die Nutzung von Virtual Reality bei der Mensch-Maschine-Interaktion im DFG-Schwerpunktprogramm AUDICTIVE.
Aktuelle Publikationen:
- Ülkü, S., Getzmann, S., Wascher, E. & Schneider, D. (2024): Be prepared for interruptions: EEG correlates of anticipation when dealing with task interruptions and the role of aging. Scientific Reports, 14, 5679.
- Stodt, B., Neudek, D., Getzmann, S., Wascher, E. & Martin, R. (2024). Comparing auditory distance perception in real and virtual environments and the role of the loudness cue: A study based on event-related potentials. Hearing Research, 444, 108968.
- Getzmann, S., Reiser, J.E., Gajewski, P.D., Schneider, D., Karthaus, M. & Wascher, E. (2023). Cognitive aging at work and in daily life – a narrative review on challenges due to age-related changes in central cognitive functions. Frontiers in Psychology, 14, 1232344.
- Getzmann, S., Schneider, D. & Wascher, E. (2023). Selective spatial attention in lateralized multi-talker speech perception: EEG correlates and the role of age. Neurobiology of Aging, 126, 1-13.
- Karthaus, M., Getzmann, S., Wascher, E., Graas, F. & Rudinger, G. (2023). Die Entwicklung verkehrssicherheitsrelevanter Personenmerkmale im höheren Lebensalter und ihre Einflussfaktoren. Erste Querschnittsanalysen aus der Dortmunder-Bonner-Längsschnittstudie (DoBoLSiS). Bergisch Gladbach: Bundesanstalt für Straßenwesen, 2023 (Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen: Mensch und Sicherheit, Heft M 336)
- Klatt, L.-I., Begau, A., Schneider, D., Wascher, E. & Getzmann, S. (2023). Cross-modal interactions at the audiovisual cocktail-party revealed by behavior, ERPs, and neural oscillations. NeuroImage, 271, 120022.
Dem Erhalt und der Verbesserung kognitiver Funktionen im Alter kommt eine besondere Bedeutung zu. Aufbauend auf unsere Forschung zu den Auswirkungen kognitiven Alterns auf Alltagstätigkeiten und Arbeitsleistung untersuchen wir den Nutzen von Trainings und Interventionen. Wir entwickeln, implementieren und evaluieren kognitive, physische und Stress-Management-Trainings, die Ressourcen jüngerer und älterer Beschäftigter effektiv verbessern können. Daneben erforschen wir die Wirksamkeit von Kurzzeittrainings, die sich leicht in den Arbeitsalltag des Menschen integrieren lassen.
Technologiebasierte Ansätze werden in Zukunft ältere Menschen vermehrt unterstützen. Die Entwicklung solcher Lösung steht im Mittelpunkt von Projekten zur Verbesserung der Arbeitssicherheit und Gesundheit älterer Menschen. So zielte das EU Horizon 2020 Projekt sustAGE auf die Entwicklung und Evaluierung einer personenzentrierten Smart Solution zur Unterstützung älterer Beschäftigter in Form eines personalisierten Empfehlungssystem zur Rückmeldung des aktuellen mentalen, physischen und motivationalen Status einer Person. Das BMBF-geförderte Projekt „Digitaler Engel“ fokussierte auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Pflegepersonal durch Entwicklung von Assistenzsystemen zur Verbesserung der Emotionsarbeit im Umgang mit Patient:innen. Unser aktuelles DFG-Projekt StressDrive zielt auf verhaltensbezogene, emotionale und physiologische Folgen und mögliche Interventionen zur Reduzierung von Arbeitsstress bei jüngeren und älteren Lkw-Fahrern.
Aktuelle Publikationen:
- Gajewski, P.D., Stahn, C., Zülch, J., Wascher, E., Getzmann, S. & Falkenstein, M. (2023). Effects of cognitive and stress management training in middle-aged and older industrial workers in different socioeconomic settings: A randomized controlled study. Frontiers in Psychology, 14, 1229503.
- Velana, M., Xenakis, H. & Rinkenauer, G. (2023). Integrating the embodiment-projection-role paradigm to develop and implement a two-hour-workshop for stress management among nurses. The Arts in Psychotherapy, 86, 102090.
- Kardys, C., Küper, K., Getzmann, S., Falkenstein, M. & Voelcker-Rehage, C. (2022). A comparison of the effects of short-term physical and combined multi-modal training on cognitive functions. International Journal of Environmental Research and Public Health, 19, 7506.
- Velana, M., Sobieraj, S., Digutsch, J. & Rinkenauer, G. (2022). The advances of immersive virtual reality interventions for the enhancement of stress management and relaxation among healthy adults: a systematic review. Applied Science, 12, 7309.
- Digutsch, J., Velana, M., Rinkenauer, G. & Sobieraj, S. (2021). Capturing interactive work for nurses – first validation of the German IWDS-N as a multidimensional measure. International Journal of Environmental Research and Public Health, 18, 7786,
- Velana, M. & Rinkenauer, G. (2021). Individual-level interventions for decreasing job-related stress and enhancing coping strategies among nurses: A systematic review. Frontiers in Psychology, 12, 708696.
Team
