Checkliste für radikale Zystektomien bei SCI-Patient:innen

Bei Menschen mit Querschnittlähmung (SCI, spinal cord injury) ist Krebs die dritthäufigste Todesursache, wobei Blasenkrebs die zweithäufigste Krebsart nach Lungenkrebs ist. Nicht selten wird der Blasenkrebs bei SCI-Patient:innen erst als fortgeschrittene Variante, dem muskelinvasivem Blasenkrebs (MIBC), der eine sehr aggressive Form darstellt, entdeckt. In diesen Fällen bietet nur eine radikale Zystektomie, die Entfernung der Harnblase inklusive der Lymphknoten im Beckenraum, eine Heilungschance. Da mit der Operation von SCI-Patient:innen mit Blasenkrebs ein erhöhtes Risiko einhergeht, hat ein Team von Forschenden, unter anderem Prof. Dr. Klaus Golka vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo), eine Liste mit Handlungsempfehlungen zusammengestellt, um das Risiko zu minimieren.

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Von 2001 bis 2020 wurden 12 Patient:innen mit Querschnittlähmung und Blasenkrebs im BG Klinikum Hamburg und der Asklepios Klinik in Hamburg-Barmbek untersucht. Bei allen Patient:innen wurde eine offene radikale Zystektomie, sowie eine beidseitige Entfernung der Lymphknoten des Beckens durchgeführt. Dabei entwickelte das Forschungsteam eine Liste mit Handlungsempfehlungen, um die Operation sowie die Vor- und Nachbehandlung zu optimieren. Die Liste ist unterteilt in drei Teile: präoperativ, intraoperativ und postoperativ.

Zu den präoperativen Maßnahmen gehören unter anderem Überlegungen zu einer optimalen Harnableitung und Medikation. Zum Beispiel muss die Sitzposition im Rollstuhl bei der Positionierung der künstlichen Harnableitung besonders berücksichtigt werden sowie das vermehrte Vorkommen von Harnwegsinfekten bei SCI-Patient:innen. Insgesamt wird mit schwierigen anatomischen Verhältnissen, erhöhtem Blutverlust und verlängerten Operationszeiten gerechnet.

Intraoperativ ist zu beachten, dass häufig lokal fortgeschrittene Tumore, Entzündungen und Vernarbungen um die Harnblase auftreten, die ein hohes Blutungsrisiko aufweisen. Ebenso müssen mögliche Implantate (bspw. Neuromodulatoren oder Vorderwurzelstimulatoren) berücksichtigt werden.

Als postoperative Behandlung rät das Forschungsteam zur besonders engmaschigen Überwachung der Atemwege, der Haut auf Druckschäden (Dekubitus) und der Wundheilung. Eine physiotherapeutische Atemtherapie sollte möglichst auf der Intensivstation begonnen werden. Als postoperatives Hauptproblem sieht das Forschungsteam die neurogene Darmfunktionsstörung. Das bedeutet, dass durch die Schädigung des Nervensystems, wie beispielsweise bei einer Querschnittslähmung, die Funktionen des Darms eingeschränkt sind. Eine Folge daraus können eine übermäßige Gasansammlung im Magen-Darm-Trakt (Meteorismus) oder ein Stillstand des Darms (Darmlähmung/Darmatonie) sein. Außerdem steigt die Gefahr für Komplikationen mit der Naht (Nahtinsuffizienz) oder einer Bauchfellentzündung. Ebenso muss auf Zeichen einer autonomen Dysreflexie geachtet werden. Bei einer autonomen Dysreflexie kommt es zu einer Überreaktion im Nervensystem. Dabei verengen sich die Blutgefäße, wodurch ein lebensbedrohlicher Bluthochdruck (hypertone Blutdruck-Krisen) und ein Herzfrequenz-Abfall ausgelöst werden.

Insgesamt sollte eine radikale Zystektomie bei Blasenkrebspatient:innen mit Querschnittlähmung nur in einem Krankenhaus mit hoher Expertise und von einem erfahrenen Operationsteam durchgeführt werden. Nur so könne das erheblich erhöhte Komplikationsrisiko auf das Risikoniveau von Patient:innen ohne Querschnittlähmung gesenkt werden, sagen die Forschenden. Ebenso wird eine enge Kooperation mit dem:der behandelnden (Neuro-)Urolog:in dringend empfohlen.

Originalpublikation:
Ralf Böthig, Clemens Rosenbaum, Holger Böhme, Birgitt Kowald, Kai Fiebag, Roland Thietje, Wolfgang Schöps, Thura Kadhum, Klaus Golka. Special surgical aspects of radical cystectomy in spinal cord injury patients with bladder cancer. World Journal of Urology 40, 1961-1970 (2022).:
Presse Kontakt:
Anne Gregory
Pressereferentin
Ardeystrasse 67 Dortmund Nordrhein-Westfalen DE 44139

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