Menschen mit erhöhtem Alzheimerrisiko haben Defizite beim Navigieren

Alzheimerpatienten entwickeln im Verlauf der Erkrankung eine schwere Orientierungslosigkeit. Dass Probleme bei der räumlichen Navigation auch bei Menschen mit einem genetischen Risiko für die Alzheimerkrankheit feststellbar sind, berichtet nun ein internationales Forschungsteam unter Federführung der Ruhr-Universität Bochum und dem Universitätsklinikum Freiburg. An der Studie haben auch Forschende des IfADo mitgewirkt. Die Forschungsarbeit wurde aktuell im Fachmagazin Science Advances veröffentlicht.

Gehirn (Symbolbild)

Tiere und Menschen können ihre eigene Position im Raum durch Eigenwahrnehmung aktualisieren und erinnern. „Wenn man nachts aufsteht und im Dunklen den Weg ins Badezimmer finden will, benötigt man – neben dem Wissen über die Anordnung der eigenen Wohnung – einen Mechanismus, der die eigene Position im Raum nachverfolgt, ohne dass man äußere Hinweisreize dazu verwendet“, gibt Anne Bierbrauer, Doktorandin der Ruhr-Universität Bochum, ein Beispiel. Diese Fähigkeit wird als Pfadintegration bezeichnet.

Alzheimerrisiko geht mit Navigationsproblemen einher

Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass die Aktivität der sogenannten Gitterzellen für diese Fähigkeit verantwortlich ist. Diese Zellen befinden sich in einer Region des Gehirns, dem entorhinalen Kortex, der entscheidend für die räumliche Navigation ist. Dieser Bereich ist einer der ersten, der durch die Alzheimererkrankung betroffen ist. In einer früheren Studie hatten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gezeigt, dass die Gitterzellen bei Menschen mit einem genetischen Risiko für die Alzheimererkrankung eine veränderte Funktion aufweisen. Allerdings konnten die Probanden normal navigieren. Die Forschenden vermuten, dass sich die Versuchspersonen an äußeren Hinweisreizen in der Umgebung orientiert haben, um den Weg zu finden.

Um das genauer zu untersuchen, wurde in der aktuellen Studie ein Computer­experiment durchgeführt (s. Foto), an dem auch mehr als 100 Probanden der Dortmunder Vital-Studie teilgenommen haben: Versuchspersonen mussten eine Navigationsaufgabe lösen, bei der sie sich nicht an äußeren Hinweisen orientieren konnten. Die Wissenschaftler verglichen die Navigationsleistung von Personen ohne genetisches Alzheimerrisiko und mit genetischem Risiko. Das Ergebnis: Die Versuchspersonen mit genetischem Alzheimerrisiko schnitten beim Navigieren schlechter ab als die übrigen Teilnehmenden.

Einblicke in Gitterzellaktivität

Eine zusätzliche Gruppe von Probanden absolvierte die gleiche Aufgabe, während ihre Hirnaktivität mit funktioneller Magnetresonanztomografie aufgezeichnet wurde. Ziel der Untersuchung war es herauszufinden, welche Gehirnprozesse eine Rolle bei der Pfadintegration spielen. Die Forschenden konnten bestätigen, dass die Gehirnregion der Gitterzellen für die Pfadintergration von Bedeutung ist.

Die Studie deutet auf eine spezifische Einschränkung von gesunden Menschen mit einem genetisch erhöhten Risiko für Alzheimer hin. „Künftig könnte eine solche Verhaltensauffälligkeit vielleicht helfen, Alzheimer früher zu diagnostizieren, bevor gravierende Symptome auftreten“, sagt Dr. Lukas Kunz vom Universitätsklinikum Freiburg. Das ist wichtig, denn Forschende vermuten, dass medikamentöse Therapien bei der Alzheimerkrankheit bislang scheitern, weil die Diagnose zu spät erfolgt.

Quelle der Pressemitteilung: Ruhr-Universität Bochum, https://news.rub.de/wissenschaft/2020-08-31-psychologie-menschen-mit-erhoehtem-alzheimerrisiko-haben-defizite-beim-navigieren

Originalpublikation:
Anne Bierbrauer, Lukas Kunz, Carlos A. Gomez, et al.: Unmasking selective path integration deficits in Alzheimer’s disease risk carriers, in: Science Advances, 2020.
Wissenschaftlicher Kontakt:
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Leitung Fachbereich Ergonomie
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Presse Kontakt:
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