Blei im Boden: Keine Entwarnung

In der Vergangenheit wurde viel getan, um Mensch und Umwelt vor dem giftigen Schwermetall Blei zu schützen. Dennoch kann sich Blei in Ackerböden anreichern. Ob durch Bleiverunreinigungen langfristig zu hohe Bleiwerte in Böden entstehen, hat IfADo-Toxikologe Prof. Dr. Jan Hengstler zusammen mit der Beratungskommission der „Gesellschaft für Toxikologie (GT)“ nun untersucht. Mithilfe eines mathematischen Modells hat die Kommission berechnet, dass die Bleikonzentrationen in Böden ansteigen, auch wenn dies nur sehr langsam geschieht. Um gesundheitliche Gefahren zukünftiger Generationen zu minimieren, sollten daher Maßnahmen zur Bleireduktion getroffen werden.

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Das Schwermetall Blei ist giftig. Wer über einen langen Zeitraum Blei aufnimmt, schädigt so unter anderem das zentrale Nervensystem. In der Vergangenheit wurden daher viele Maßnahmen durchgeführt, um die Bleibelastung für Mensch und Umwelt zu reduzieren. Dennoch kann sich Blei weiterhin etwa in landwirtschaftlich genutzten Böden anreichern. Die Hauptquellen sind bleihaltige Düngemittel und Jagdmunition. In geringerem Ausmaß kommt es auch zu Bleiablagerungen aus der Luft, die aus industriellen Prozessen resultieren.

Bislang war kaum erforscht, ob bei den aktuellen Bleieinträgen in die Böden langfristig gesundheitlich gefährliche Konzentrationen entstehen können. In einer aktuellen Studie haben Toxikologinnen und Toxikologen der GT daher ein mathematisches Modell entwickelt. „Es erlaubt Prognosen darüber, wie sich der Bleigehalt im Boden über viele Jahrzehnte entwickelt“, sagt Erstautor und Kommissionsmitglied Prof. Dr. Thomas Schupp. So kann abgeschätzt werden, ab wann für die Gesundheit von Verbraucherinnen und Verbraucher kritische Bleiwerte erreicht werden.

Zunächst hat die Kommission ermittelt, wie viel Blei jährlich durch Dünger, Munition und Ablagerung aus der Luft in ländlichen Regionen in den Boden eingebracht wird. Dazu wurden aus der Literatur bekannte Werte genutzt. Dies führte zu vier Szenarien mit unterschiedlich hohen Bleieinträgen pro Jahr. Diese Bleieinträge wurden in Relation zu den Bleikonzentrationen gesetzt, die dem Boden durch versickerndes und ablaufendes Regenwasser sowie durch die angebauten Pflanzen entzogen werden.

So konnte das Team simulieren, wie sich die Bleikonzentration im Boden entwickelt. In einem weiteren Schritt hat die Kommission abgeschätzt, wie viel Blei eine Person beim Verzehr von bestimmten landwirtschaftlichen Produkten wie Getreide (Gerste) oder Gemüse (Kartoffeln, Karotten, Chinakohl, Spinat, Mangold) aufnimmt. Das ist möglich, da für einige landwirtschaftliche Produkte der Bleianteil bekannt ist, den sie aus dem Boden aufnehmen.

Anstieg der Bleikonzentration über langen Zeitraum

Kommissionsmitglied Prof. Dr. Jan Hengstler vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) fasst die Erkenntnisse der Modellierungen zusammen: „Während kurzfristig nur wenig passierte, stiegen die Bleibodenkonzentrationen in zwei Szenarien über einen Zeitraum von vielen Jahrzehnten (50 und 175 Jahren) deutlich an.“ Sie erreichten Werte, die für den Menschen ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko darstellen würden.

Diese Szenarien enthielten zwar relativ hohe Bleibodenwerte bedingt durch Einträge über Dünger, dicht gefolgt von Schrotkugeln und einem kleineren Anteil von Blei in der Luft. Für die konventionelle Landwirtschaft, für die ausreichend Daten vorliegen, sind die Werte dennoch realistisch, wobei Kompost den höchsten Eintrag verursacht.

Maßnahmen zur Bleireduktion empfohlen

In ihrem Modell geht die Beratungskommission davon aus, dass die Bleieinträge durch Düngemittel, Munition und Luftdeposition Jahr für Jahr konstant bleiben. „In der Realität haben wir aber die Möglichkeit, den Bleieintrag in den Boden zu senken, zum Beispiel durch Düngemittel, die weniger Blei enthalten, oder Alternativen zu bleihaltiger Munition. Solche Maßnahmen sind relevant für eine nachhaltige Landwirtschaft und um toxische Effekte des Bleis langfristig zu vermeiden“, so Prof. Dr. Thomas Schupp.

Eine genauere Kenntnis darüber, wie viel Blei durch Schrotkugeln in den Boden gelangt, könnte die Aussagekraft der Berechnungen verbessern. Denn bislang liegen darüber nur grobe Schätzungen vor. Zudem haben die Forschenden andere Quellen der Bleibelastungen (etwa das Trinkwasser) in ihren Berechnungen nicht berücksichtigt.

Hintergrund Blei

Blei kommt natürlicherweise in der Erdkruste vor. Bleihaltige Stoffe und Verbindungen werden bereits seit der Antike verwendet. Sie kommen etwa als Material für Rohrsysteme, Plomben, Farben und Pigmente, Geschosse und Projektile für Waffen sowie als Antiklopfmittel in Otto-Motoren und in der chemischen Industrie vor. Viele der genannten Anwendungsfelder für Blei sind mittlerweile verboten, bzw. die Verwendung von Blei stark eingeschränkt.

Für Blei ist keine Aufnahmemenge ohne gesundheitliche Beeinträchtigung bekannt. Es gelangt überwiegend aus vom Menschen verursachten Quellen in Lebensmittel (etwa durch industrielle Emissionen oder Verbrennungsprozesse). Erwachsene nehmen Bleiverbindungen hauptsächlich über Lebensmittel wie Getreide, Gemüse und Trinkwasser auf. Für Kinder stellen Hausstaub und Erde eine zusätzliche Expositionsquelle dar. Akute Bleivergiftungen sind heutzutage selten. Dauerhafte Bleiexpositionen über einen langen Zeitraum können das zentrale Nervensystem und damit die Hirnfunktion beeinträchtigen, aber auch das Hormonsystem und mit Blutarmut, Wirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem, Appetitlosigkeit, Nervosität und auch Nierenschädigungen einhergehen.

Originalpublikation:
Schupp, T., Damm, G., Foth, H., Freyberger, A., Gebel, T., Gundert-Remy, U., Hengstler, JG., Mangerich, A., Partosch, F., Röhl, C., Wollin, KM.: Long-term simulation of lead concentrations in agricultural soils in relation to human adverse health effects. Arch Toxicol 2020.
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. Jan G. Hengstler
Leitung Fachbereich Toxikologie
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Presse Kontakt:
Verena Kemmler
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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