Übersichtsarbeit: Gleichstromstimulation bei ADHS zeigt klinische Wirkung

Wenn Kinder ständig zappeln, impulsiv und unkonzentriert sind, kann das in manchen Fällen an einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) liegen. Vor allem im Schulalltag wiegt diese Störung schwer und beeinträchtigt die Entwicklung der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Hier könnte die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) hilfreich sein. In einer Übersichtsarbeit hat IfADo-Forscher Ali Salehinejad gemeinsam mit Neurowissenschaftlern aus dem Iran, den Niederlanden und Italien die Ergebnisse bereits veröffentlichter Studien kritisch ausgewertet. Die Analyse ist im Journal „Neuroscience Bulletin“ erschienen.

Gehirn (Symbolbild)

Wenn Kinder oder Erwachsene unter ADHS leiden, kann sich dies in einer Vielzahl von Symptomen zeigen. Häufig tritt eine ausgeprägte Impulsivität und Unaufmerksamkeit auf, begleitet von körperlicher Unruhe und Konzentrationsschwäche. Bei solchen Störungen könnte die transkranielle Gleichstromstimulation eine vielversprechende therapeutische Methode sein. Über Elektroden an der Kopfhaut wird dabei mit sehr geringer Stromintensität das Gehirn stimuliert. So werden bestimmte Gehirnbereiche angeregt oder aber gehemmt. Das Verfahren ist nicht invasiv und schmerzfrei. Am IfADo wird das Potenzial der tDCS erforscht. In einer aktuellen Publikation haben Neurowissenschaftler um Ali Salehinejad nun anhand von 14 Studien mit insgesamt 278 Probanden die Wirksamkeit der Methode bei ADHS bewertet.

Zur Wirksamkeit von tDCS bei ADHS

Bei zehn der 14 Studien zeigte sich zumindest eine schrittweise Verbesserung der kognitiven Defizite (Reaktionshemmung, Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeit, kognitive Flexibilität) oder klinischen Symptome (z.B. Impulsivität, Unaufmerksamkeit). Dabei gab es die größten positiven Effekte, wenn der linke vordere Teil der Großhirnrinde behandelt wurde. Dieser Bereich ist sehr aktiv, wenn es um Prozesse der Aufmerksamkeit und des Arbeitsgedächtnisses geht. Bei Erwachsenen mit ADHS war eine Stromintensität von zwei Milliampere mit einer signifikanten Verbesserung verbunden, bei Kindern reichte hingegen ein Milliampere. Bei vier Studien zeigten sich keine oder nur sehr geringe Effekte. Es wurden keine schwerwiegenden Nebenwirkungen während oder nach der tDCS-Behandlung in den Studien berichtet.

Anwendung von individueller Symptomatik abhängig

Ali Salehinejad fasst zusammen, dass die Art der tDCS-Anwendung individuell auf die zu behandelnde Person angepasst werden sollte. Die verschiedenen Symptome hängen zum einen mit verschiedenen Gehirnregionen zusammen. Zum anderen sollten auch die Stimulationsparameter wie Intensität und Dauer auf die jeweilige Person abgestimmt werden. Vor allem bei Kindern muss berücksichtigt werden, dass sich diese noch in der Entwicklung befinden.

Insgesamt scheint die tDCS eine vielversprechende Methode zur Verbesserung von ADHS-Defiziten zu sein. Eine Empfehlung für den klinischen Einsatz der tDCS bei ADHS erfordert jedoch weitere systematische Untersuchungen mit größeren Stichproben. Erst wenn sich darin die klinische Wirksamkeit bestätigt, kann das Verfahren in der Therapie Anwendung finden.

Hintergrund transkranielle Hirnstimulation

Transkranielle Hirnstimulation bezeichnet die nicht invasive Stimulation der äußeren Hirnrinde durch die Schädeldecke. Die Methode macht sich zunutze, dass Nervenzellen untereinander durch elektrische Prozesse kommunizieren. Diese Prozesse werden mit elektrischen Impulsen von wenigen Milliampere angeregt oder gehemmt. Eingesetzt werden die Magnetstimulation (TMS) oder die Gleichstromstimulation (tDCS). Beide Techniken werden zu Forschungszwecken verwendet, um die Funktionsweise des Gehirns besser zu verstehen. Auch für die Diagnose neurologischer Störungen kommt die transkranielle Hirnstimulation zum Einsatz. Im klinischen sowie therapeutischen Bereich werden große Erwartungen an die nicht-invasive Hirnstimulation gestellt. In Deutschland findet sie bislang noch bei sehr wenigen Krankheitsbildern wie Depressionen oder Fibromyalgie Anwendung. Für einen breiteren klinischen Einsatz muss die Wirksamkeit der TMS oder tDCS durch eine fundierte und qualitativ hochwertige Studienlage zunächst hinreichend belegt werden.

Originalpublikation:
Salehinejad MA, Nejati V, Mosayebi-Samani M, Mohammadi A, Wischnewski M, Kuo M-F, Avenanti A, Vicario CM, Nitsche MA (2020) Transcranial Direct Current Stimulation in ADHD: A Systematic Review of Efficacy, Safety, and Protocol-induced Electrical Field Modeling Results. Neurosci Bull.
Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Mohammed Ali Salehinejad
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Ardeystrasse 67 Dortmund Nordrhein-Westfalen DE 44139
Presse Kontakt:
Verena Kemmler
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Ardeystrasse 67 Dortmund Nordrhein-Westfalen DE 44139

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