Mesotheliom des Hodens: Immer als Verdacht auf Berufskrankheit anzeigen

Obwohl die Verarbeitung von Asbestprodukten schon seit Jahrzehnten in Deutschland verboten ist, löst das Mineral immer noch zahlreiche Krankheiten aus. Ein Beispiel sind Mesotheliome – seltene, aber äußerst aggressive Tumoren, die fast ausschließlich durch das Einatmen von Asbest ausgelöst werden. Die Asbestfasern verursachen bösartige Tumoren des Rippenfells, des Bauchfells, des Herzbeutels, seltener des Hodens.

Amphibolasbestfasern (REM-Aufnahme)

Forschende des IfADo, Arbeitsmediziner/innen aus Castrop-Rauxel sowie ein Urologe aus Sankt Augustin betonen nun: Ein Mesotheliom des Hodens muss, wie alle anderen Mesotheliome auch, immer den Unfallversicherungsträgern als Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit gemeldet werden.

Anlässlich des 66. Kongresses der Nordrhein-Westfälischen Gesellschaft für Urologie (12.-13.03.2020) hat das Team Daten zu Mesotheliom-Erkrankten vorgestellt. Die gesetzlichen Unfallkassen erkannten zwischen 2014 und 2018 bei 4.865 Patienten ein Mesotheliom als Berufskrankheit an. Bei der überwiegenden Mehrheit (4618) handelt es sich um Tumoren der Lunge. Deutlich weniger Fälle wurden als Mesotheliome des Bauchfells (190) sowie des Herzbeutels (22) bestätigt. 14 Fälle wurden ohne Angabe des befallenen Organs erfasst. Fallzahlen für Mesotheliome der Tunica vaginalis des Hodens (eine Ausstülpung des Bauchfells) liegen jedoch nicht vor, da es bislang keinen entsprechenden ICD10-Code für diese Erkrankung gibt, den die Unfallversicherungsträger anwenden könnten.

Von den Beschäftigten des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin in Castrop-Rauxel, dessen Schwerpunkt die Zusammenhangsbegutachtung von Berufserkrankungen ist, wurden im Zeitraum von 2014 bis 2019 vier Fälle eines Mesothelioms des Hodens begutachtet. Es wurden drei der vier Mesotheliome des Hodens von den Unfallversicherungsträgern als Berufskrankheit anerkannt. Der vierte Fall konnte bei fehlender Mitwirkung des Betroffenen nicht eingestuft werden. Auffällig: Alle vier Fälle wurden zunächst unter einer Verdachtsdiagnose behandelt, die nicht im Zusammenhang mit einem Mesotheliom des Hodens stand.

Die Autor/innen vermuten, dass die Dunkelziffer von Mesotheliomen der Tunica vaginalis des Hodens höher ist als bisher bekannt. Sie gehen davon aus, dass nicht jedes Mesotheliom im Bereich des Hodens erkannt wird. Demnach unterbleibe auch die Verdachtsanzeige auf das Vorliegen einer Berufskrankheit. Doch genau das muss bei einem Mesotheliom der Tunica vaginalis des Hodens – wie bei allen anderen Mesotheliomen auch – grundsätzlich immer getan werden. Es ergibt sich die Forderung, dass grundsätzlich jedes operativ entfernte Gewebe histopathologisch untersucht wird. Es sei unhaltbar, dass diese früher geübte Praxis dem Kostendruck im Gesundheitswesen zum Opfer gefallen ist. Bei Anerkennung einer Berufskrankheit stehen den Betroffenen umfangreiche Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger zu. Je nach Schwere der Erkrankungen kann eine Rentenzahlung gewährt werden.

Hintergrund Asbest – Mesotheliome

Asbest wird schon seit dem Altertum als feuerfestes Material verwendet. Seit 1993 ist das krebserzeugende Mineral in Deutschland weitestgehend verboten. Da jedoch zwischen der Exposition mit Asbest und dem Auftreten von Erkrankungen zuweilen mehr als 50 Jahre vergehen, werden weiterhin auch neue Fälle von Mesotheliomen diagnostiziert. Mesotheliome sind seltene Tumoren des Rippen- bzw. des Bauchfells. Laut Angaben des Robert Koch-Instituts erkrankten 2016 mehr als 1.300 Personen in Deutschland an einem Mesotheliom. Überwiegend sind Männer in höherem Alter betroffen, die beruflich asbestexponiert tätig waren. Als Berufsgruppen sind u.a. Schlosser, Schweißer, Elektriker, Installateure, Dachdecker, Maurer, Bauarbeiter, Kraftfahrzeugtechniker und Fliesenleger zu nennen. Hervorzuheben ist, dass bereits geringste Asbestexpositionen ausreichen können, um ein Mesotheliom auszulösen. Daher besteht bei jedem Mesotheliom grundsätzlich der Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit.

Presse Kontakt:
Verena Kemmler
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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