Viele Wege führen nach Rom: Systematische Untersuchung von Hirnstimulationsparametern

Neuroplastizität bezeichnet die Fähigkeit des Gehirns, sich ständig zu verändern und dadurch etwas Neues zu lernen oder sich veränderten Bedingungen anzupassen. Das ist nicht nur für das Gedächtnis essentiell, sondern auch für die Regeneration nach Hirnverletzungen. Bei neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen spielen krankhafte Veränderungen der Neuroplastizität eine Rolle. Das macht die Erforschung von Prozessen der Neuroplastizität relevant.

Gehirn (Symbolbild)

Hier setzt die nicht invasive Hirnstimulation an. Mit Hilfe von elektrischen oder elektromagnetischen Impulsen lässt sich die Neuroplastizität des Gehirns beeinflussen und erforschen – ohne dass dabei ein operativer Eingriff notwendig ist. Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) ist eine solche nicht invasive Hirnstimulationsmethode. Sie nutzt sehr schwache Stromimpulse, um die Neuroplastizität des Gehirns anzuregen. Der Einfluss hängt dabei von Stimulationsparametern wie Dauer und Stromstärke ab, allerdings sind die Beziehungen nicht in jedem Fall linear. Es ist deshalb wichtig, die Stimulationsparameter und deren Auswirkung auf die Neuroplastizität systematisch zu untersuchen, um die Anwendung des Verfahrens zu verbessern. Insbesondere Stimulationsparameter mit höherer Stromintensität und längerer Anwendungsdauer sind noch zu wenig erforscht.

In einer aktuellen Studie vom IfADo haben Desmond Agboada und weitere Forschende die Neuroplastizität von 16 jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern untersucht. Diese absolvierten zehn Stimulationssitzungen mit unterschiedlicher Stromstärke (1, 2 oder 3 mA) und Anwendungsdauer (15, 20 oder 30 Minuten). Zudem nahmen sie an einer Kontrollsitzung teil, bei der die Forschenden nur vorgaben, bestimmte Hirnbereiche zu stimulieren.

Die Ergebnisse: Grundsätzlich führte jede Stimulation zu einer erhöhten Erregbarkeit des stimulierten Gehirnbereichs im Vergleich zur Kontrollbedingung. Es gab jedoch keine bzw. nur sehr geringe Unterschiede zwischen den jeweiligen Stimulationsdauern und -intensitäten. Lediglich in zwei Versuchsbedingungen führte eine höhere Stromintensität zu Plastizität, die länger als wenige Stunden nach der Anwendung anhielt (2 mA-20 min- und 3 mA-20 min-Bedingungen). Diese Ergebnisse können zukünftig helfen, Stimulationsprotokolle für den experimentellen und klinischen Einsatz anzupassen. Dazu müssen weitere Untersuchungen mit größeren Probandengruppen erfolgen.

Die Studie erschien aktuell im Journal „Scientific Reports“. Die Arbeit wurde unterstützt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF; GCBS grant 01EE1501, TRAINSTIM grant 01GQ1424E) und den Leibniz Open Access Fund.

Originalpublikation:
Agboada D, Mosayebi Samani M, Jamil A, Kuo MF, Nitsche MA: Expanding the parameter space of anodal transcranial direct current stimulation of the primary motor cortex. Sci Rep 9(1): 18185 (2019).
Presse Kontakt:
Verena Kemmler
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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