Atmungsähnliche Dehnung von Lungenzellen in Zellkultur beeinflusst Reaktion auf Nanopartikel

Wie reagieren Lungenzellen auf Stoffe, die so klein sind, dass sie bis in die tiefe Lunge gelangen können? Um diese Frage zu beantworten, kultivieren Forschende Lungenzellen im Labor in Zellkultur. Die Ergebnisse dieser stark vereinfachten Modelle lassen sich jedoch nicht direkt auf komplexe, lebende Organismen übertragen. Nun haben Expertinnen und Experten des Leibniz-Forschungsverbundes Nanosicherheit zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität des Saarlands und der TU Dortmund untersucht, wie menschliche Lungenzellen auf Nanopartikel reagieren, wenn sie – wie in der Lunge – während der Kulturphase gedehnt werden. Sie konnten zeigen, dass die Lungenzellen durch die mechanische Dehnung stärker auf Nanopartikel reagierten, und zwar ähnlich wie bei einer Entzündungsreaktion.

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Möglichst wirklichkeitsnahe Kulturbedingungen sind das Ziel der Untersuchungen. „Es gibt verschiedene Möglichkeiten den Einfluss von Nanopartikeln auf Lungenzellen wirklichkeitsnäher zu untersuchen, beispielsweise indem man unterschiedliche Lungenzellen als sogenannte Kokultur miteinander kultiviert. In anderen Modellen kommen Lungenepithelzellen während der Kultur mit Luft in Kontakt, wie dies auch in der Lunge der Fall ist. Welchen Einfluss eine sich wiederholende, atmungsähnliche Dehnbewegung auf die Vorgänge in der Zelle hat, ist hingegen noch wenig untersucht“, erklärt Annette Kraegeloh, Leiterin der Forschungsgruppe Nano Zell Interaktionen am INM – Leibniz-Institut für neue Materialien.

Zusammenwirken von Partikeln und mechanischem Impuls

Als Testmaterial verwendeten die Forschenden 25 Nanometer große Partikel aus amorphem, also nichtkristallinem, Siliziumdioxid (SiO2). Siliziumdioxidpartikel werden industriell in großem Maßstab hergestellt und beispielsweise als Schleifmittel genutzt. Einige der Nanopartikel wurden von den Zellen aufgenommen. Obwohl die Nanopartikel weder gedehnte noch ungedehnte Lungenzellen unmittelbar schädigten, konnten die Forschenden eine Änderung der Genexpression in gedehnten Zellen nachweisen – die Aktivität einiger Gene war dabei erhöht, die Aktivität anderer Gene verringert. Dabei änderte sich das Muster der Genantwort und ähnelte jenem, das auch bei Entzündungsreaktionen entsteht.

Christoph van Thriel, Leiter der Forschungsgruppe Neurotoxikologie und Chemosensorik am IfADo – Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund, fasst zusammen: „In unseren Untersuchungen gelangten etwa gleich viele Partikel in gedehnte und ungedehnte Zellen. Daher gehen wir davon aus, dass das Zusammenwirken von Partikeln und mechanischem Impuls die Ursache für die veränderte Genantwort ist. Die mechanische Dehnung ist ein Faktor, den wir in Zukunft stärker beachten müssen.“

Weitere Untersuchungen mit dem Kulturmodell unter mechanischer Dehnung sollen nun zeigen, wie relevant die Ergebnisse für die Sicherheitsbewertungen von Stoffen sind, die bis tief in die Lunge gelangen können, und welche zellinternen Mechanismen zu dieser Reaktion führen.

Originalpublikation:
Carmen Schmitz, Jennifer Welck, Isabella Tavernaro, Marianna Grinberg, Jörg Rahnenführer, Alexandra K. Kiemer, Christoph van Thriel, Jan G. Hengstler & Annette Kraegeloh (2019): Mechanical strain mimicking breathing amplifies alterations in gene expression induced by SiO2 NPs in lung epithelial cells. Nanotoxicology. In press, corrected proof

Die Studie wurde zum Teil durch den Leibniz-Forschungsverbund Nanosicherheit finanziert. Quelle: Alle weiteren Details zu dieser Mitteilung finden Sie auf der Seite des Forschungsverbundes unter https://www.leibniz-nanosicherheit.de/de/2019/10/atmungsaehnliche-dehnung-von-lungenzellen-in-zellkultur-beeinflusst-reaktion-auf-nanopartikel/

Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. Christoph van Thriel
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Ardeystrasse 67 Dortmund Nordrhein-Westfalen DE 44139
Presse Kontakt:
Verena Kemmler
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Ardeystrasse 67 Dortmund Nordrhein-Westfalen DE 44139

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